Parochialkirche

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Mit historischen Inhalten und neuen Zeitzeugenberichten!

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1. Auflage 2012

 

© 2012 by Denk mal an Berlin e.V., Berlin

 

 

Herausgeber: Hans Wall für Denk mal an Berlin e.V., Berlin

Projekbetreuung: Sisi Zheng

Redaktion: Jochen Langeheinecke

Roland von zur Mühlen

Dr. Detlef Graf von Schwerin

Hans Wall

Dr. Elisabeth Ziemer

 

 

 

 

Vorwort

 

Seine große Liebe war das Glockenspiel der Parochialkirche:Christian Friedrich Rosendahl spielte am Abend des 23. Mai 1944 lange das Glockenspiel – zum letzten Mal! Einen Tag später mußte der Wehrmachtsflugzeugführer auf Fronturlaub erleben, wie die geliebten Glocken von Turm herabstürzten und die Parochialkirche bei einem Fliegerangriff zerstört wurde. Er selbst fiel im August 1944 mit gerade mal 23 Jahren.

 

Ich bin glücklich, schreibt seine Schwester Sophie-Charlotte Wünsche, geb. Rosendahl, am 9.09.2010, dass die Kirche wieder ihren singenden Turm bekommt, „der uns und unserer Eltern Kindheit begleitet hat.“

 

Wir sind auch alle glücklich, Frau Wünsche, wenn die Glocken der Parochialkirche spätestens 2015 rechtzeitig zur 300 Jahre Feier der Kirche wieder von ihrem wiederhergestellten Turm läuten und daran erinnern, welche Altstadt Berlin durch den Krieg verloren hat und was aber auch davon wieder zu gewinnen ist.

 

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Ihr Hans Wall

 

Vorstandvorsitzender Denk mal an Berlin e.V.

 

 

 

 

Einführung

 

Wenn Sie das Vorwort von Eugen Thiele aus dem Jahr 1915 gelesen haben, werden Sie verstehen, daß wir uns fragten, ob wir diesen so zeitgebundenen Text erneut abdrucken sollten. Wir haben uns für eine Wiederauflage des Buches von Thiele entschieden, so wie er es damals mit allen seinen Texten, Illustrationen und Abbildungen geplant hatte. Es ist ein Dokument seiner Zeit und muss daher im Kontext seiner Epoche gelesen und gewertet werden. Nach den erschütternden Erfahrungen zweier Weltkriege und fast einhundert Jahre nach der Erstausgabe fällt es uns heute nicht schwer die Kurzsichtigkeit und den Chauvinismus in dem Vorwort Thieles zu entdecken. Die „herrlichen deutschen Siege“ des Jahres 1915 waren die Sargnägel für das Deutschland, in dem der Autor aufgewachsen war, und der Humus für das, was sich in unserem Land seit 1933 entwickelte. Der Untergang des Turms mit seinem berühmten Glockenspiel im Feuersturm des 24. Mai 1944 war eine direkte Folge dieser Entwicklung. Die sorgfältige, ja liebevoll erarbeitete Baugeschichte des Turms und des Glockenspiels mit all seinen noch heute gültigen Informationen kontrastiert mit der auf Deutschland-Preußen begrenzten Weltsicht des Autors. Diese Verbindung von technischer und wissenschaftlicher Exzellenz mit politischer Borniertheit war typisch für viele Menschen in unserem Land. Nach all den Schrecknissen des vergangenen Jahrhunderts können wir nur hoffen, dass wir heute besser über den Tellerrand unseres Landes und unseres Kontinents hinaus schauen können. Vielleicht hilft dazu demnächst ein Aufstieg im wiederhergestellten Turm, um zu überblicken, wie im Herzen Berlins die Wunden dieser Stadt geschlossen wurden und werden.

 

Dr. Detlef Graf von Schwerin

 

 

 

 

 

Wohl! Nun kann der Guß beginnen...

 

Als 1713 König Friedrich I. der Parochialkirche das erste Glockenspiel schenkte, das er eigentlich für den – inzwischen aber eingestürzten - Münzturm am Schloss vorgesehen hatte, musste zu dessen Aufhängung endlich auch der noch fehlende Turm aufgesetzt werden. Ein Jahr später stand er, doch das Geschenk erwies sich als misstönend und so wurde in der holländischen Glockengießerei von Albert de Grave ein neuer Carillon bestellt. Diese aus 37 Glocken bestehende „Singuhr“ wurde zur Attraktion in der Berliner Altstadt und blieb es über 200 Jahre lang, bis sie 1944 mit dem Turm zerstört wurde. Um uns bei unserem Wiederaufbauprojekt daüber zu informieren, wo denn heute und wie solche Glockenspiele hergestellt werden, machten wir uns mit Vorstand und Architekt an einem regengrauen Morgen nach Holland auf. Unser erster Besuch galt der Torenpleinkerk in Vleuten. Hier hatten wir uns mit Henk van Blooijs verabredet, der uns den dort eingebauten Carillon seiner Firma zeigen und erklären wollte.

 

Diese Glockengießerei ist zwar kein Nachfolger von de Grave (die Firma gibt es heute nicht mehr), kann aber mit der Gründung im Jahr 1660 auf eine stolze Tradition und viel Erfahrung zurücksehen. Auf engen Holzleitern kletterten wir hinauf zum Spieltisch, der, ähnlich wie ein Klavier, aber mit 2 Reihen Holzstöcken oben und den Tasten des Pedals unten, ausgestattet ist. Von dem Corpus aus zieht sich eine Vielzahl von Drähten zu den auf oberen Ebenen dicht an dicht hängenden, fest montierten Glocken hin, die an den Klöppeln enden und diese beim Anschlagen der Stöcke an die Glocken schlagen. Eine für uns verwirrende, sehr ausgeklügelte Mechanik. Wie funktioniert das automatische, alle Viertelstunde einsetzende Geläut, das plötzlich neben uns erklang? Wieviel Glocken muss es haben, um per Hand interessante Stücke spielen zu können? Ist die Länge der Drähte entscheidend für den Ton? Hallen die Glocken nicht zu lange nach, wenn man sie spielt? Unser Experte erklärt uns geduldig die Unterschiede zwischen pneumatischem (automatischen) und Handspiel, weist auf Vorzüge und Nachteile elektronischer Umsetzung hin, lässt uns selbst mit den Stöcken die Unterschiede hören.

 

Doch die Glocken geben viele ihrer Geheimnisse erst in der Glockengießerei preis. Das ist unsere nächste Station. In der Klokkengietery, die sich seit 1907 in Aarle-Rixtel in ihren heutigen Fabrikhallen befindet, überrascht uns die alte Handwerkstradition. Kein Fließband, keine Computerfertigung – wir staunen, dass alle Prozesse per Hand laufen – die Anfertigung der Tonkerne, Aufbringen von Wachs- und Sandschichten, Ausschmelzen, Gießen der Bronze, Überarbeiten der Oberflächen und zuletzt das spannende Einstimmen der Glocken. Zwar kommen dabei immer wieder Maschinen zum Einsatz – und auch denen sieht man ihre Erfahrung an - die Steuerung liegt aber in der Hand.

 

Wir lernen, dass eine Glocke nicht einen, sondern fünf Töne produziert, die durch den Einstimmungsprozeß zu einem Klang harmonisiert werden. Wir sehen, dass dafür die Glocke rotierend an bestimmten Stellen ausgeschliffen wird, bis der Ton sitzt. Manchmal werden auch Riefen innen angebracht, um das Volumen zu reduzieren. Die Zusammensetzung der Bronze ist ausgeklügelt. Überhaupt sind Kirchenglocken anders zu behandeln als Carillonglocken. Auch die Klöppel, die wir zwischen den vielen kleinen, großen und wuchtigen Glocken, ob noch im Sandbett, halb befreit, poliert oder fertig, liegen sehen, werden sorgfältig hergestellt, denn auch sie entscheiden über den Ton. Die älteren Mitarbeiter lassen sich gern bei ihrer konzentrierten Arbeit über die Schulter schauen. Wie ist es mit Nachwuchs, fragen wir und würden sofort in dieser wunderbaren Werkstatt anfangen. Der Chef wiegt den Kopf – hier bekommt man schmutzige Hände und die Ausbildung erfordert viel Erfahrung. Kein Wunder, dass es nur noch zwei Glockengießereien in Holland gibt, obwohl weltweit exportiert wird. Wir wünschen dem Unternehmen noch viele Jahrhunderte Dauer und kehren den Kopf voller Eindrücke zurück – jetzt wissen wir, was für ein Carillon in die Parochialkirche kommen soll.

 

Dr. Elisabeth Ziemer

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